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Humanmediziner als Soldaten im Ukraine Konflikt

Medizinstudium alternativ: Beim Bund

Medizinstudium bei der Bundeswehr – Wie ist das eigentlich?

Ein Aspekt des Studentenlebens ist sicher der, dass man unglaublich schnell neue Menschen kennenlernt. Es bieten sich einfach viele Gelegenheiten.

Selbst, wenn man den ganzen Tag in der UB hockt. Insbesondere, wenn man von dem Automaten aufgehalten wird, der seinen Kaffee nur sehr langsam brüht. Zumindest, wenn man es eilig hat. Aber auch Gespräche vor dem Snackautomaten, zu eher inhumanen Tageszeiten, hat es schon gegeben.

Aber beschränken wir uns nicht auf die tausend Leseplätze in der UB. Als junger Mensch kann sowas nahezu überall passieren. Und dann kommt das typische ,,Und was studierst du so?” auf. 

Wenn ich mit anderen Medizinern zu tun habe, bemerke ich das in der Regel sehr schnell. Es ist wohl einfach ein sensitiver Radar, der schnell Gleichgesinnte detektiert. Aber damit noch nicht genug. Man kann sogar relativ schnell heraushören, ob jemand Mitbewohner, Geschwister, Freunde oder andere Angehörige  hat, die ebenfalls Medizin studieren. 

Ich habe das u.a bei einem Freund gemerkt, als er plötzlich Insiderwissen über das Legen von Zugängen, die Medimeisterschaften und Famulaturen hatte. Aha, er hat also jemanden kennengelernt. Meine Vermutung bewahrheitete sich relativ schnell. 

Vor nicht allzulanger Zeit habe ich mich mit jemandem unterhalten, bei dem ich ähnliches vermutete. Ja, sein großer Bruder studiere Medizin, hat er dann zugegeben.

Allerdings beim Bund.

Keine Woche später unterhielt ich mich mit weiteren Leuten, die ebenfalls beim Bund studieren. Dass ich sie traf erinnerte mich stark an das Baader-Meinhoff-Phänomen: eine kognitive Verzerrung bei der Etwas, von dem man bewusst zum ersten mal hörst oder sieht, plötzlich überall, mehrfach auftaucht. So der so: Meine Neugierde war geweckt.

Wie ist das eigentlich, wenn man beim Bund Medizin studieren will? Was bewegt einen zu so einer Entscheidung? Was macht es attraktiv? Was spricht dafür und dagegen? Wie läuft das überhaupt ab?

Tauchen wir zunächst einmal ab, in die Welt der Zahlen.

Ein Blick in die aktuellen Personalzahlen der Bundeswehr verrät:

In der Summe leisten 183.116 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr – Berufssoldaten und -soldatinnen, Zeitsoldaten und -soldatinnen und Freiwillig Wehrdienstleistende. (Stand: 31. Juli 2022)

Dazu lassen sich rund 5.400 Studierende zählen.

Dabei scheint es sowohl Duale als ,,gewöhnliche” Studiengänge zu geben:

Noch vor meiner Recherche hatte ich davon gehört, dass es dort ein Studium für Rechtswissenschaften, Informatik (auch als reiner Frauenstudiengang)  und Humanmedizin geben soll. 

Überrascht hat mich, dass es ebenfalls die medizinischen Studiengänge Tiermedizin und Zahnmedizin gibt.

Zusammenfassend kann man also Studienfächer wie Humanmedizin, Zahn- oder Veterinärmedizin, Pharmazie, Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft, Nautik und Seeverkehr oder internationales Logistikmanagement als SoldatIn an einer öffentlichen Hochschule studieren. In der Summe sind es bis zu 50 Studiengänge.

[Näheres unter: Offizierin / Offizier (m/w/d) mit Studium | Karriere bei der Bundeswehr (bundeswehrkarriere.de)]


Okay, auf ins Gefecht: Wie ist das nun mit der Humanmedizin?

Welche Voraussetzungen muss jemand erfüllen, der dort studieren will?

Man sollte mindestens 17 (und noch keine 30) Jahre alt sein, mindestens über Fachhochschulreife oder einen als gleichwertig anerkannten Bildungsstand, sowie die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen. Sowohl körperlich, als auch psychsich wird eine gewisse Belastbarkeit vorausgesetzt. 

Charakterlich suchen sie Menschen, die man als leistungsbereit, ehrgeizig, durchsetzungsstark und teamfähig beschreiben würde. Zudem sollte man eine hohe Flexibilität und Einsatzbereitschaft haben und nicht gehemmt sein, sich bundesweit versetzen zu lassen. Aber auch eine Teilnahme an Auslandseinsätzen der Bundeswehr gehört dazu. Dass es sich dabei nicht um Work and Travel, sondern um den Einsatz in Kriegsgebieten handelt, muss wohl nicht extra erwähnt werden.

Die Dienstzeiten sind in der Regel ziemlich lange, wobei sie ein wenig nach Laufbahn variieren: als Soldatin bzw. Soldat auf Zeit beträgt die Dienstzeit in dieser Laufbahn 13 Jahre – als Pilotin bzw. Pilot 16 Jahre und als Ärztin bzw. Arzt oder Apothekerin bzw. Apotheker 17 Jahre. 

Dementsprechend ist ein Medizinstudent dazu verpflichtet, nach Vollendung seines Studiums noch mindestens 11 weitere Jahre bei der Bundeswehr zu bleiben. Da Regelstudienzeit auch so eine Sache ist, sollte miteinkalkuliert werden, dass sich die Verpflichtungszeit grundsätzlich um ein Jahr verlängert, wenn sich der Abschluss des Studiums um mehr als sieben Monate über die Mindeststudienzeit verzögert.

Natürlich gibt es auch beim Bund eine gewisse Facharztauswahl nach dem Studium, wenn auch mit der Besonderheit, dass diese nicht völlig frei ist. Die Bundeswehr sagt von sich, dass sie nur ausbildet, was sie auch wirklich benötigt. Ein Gedanke, den man sich womöglich machen sollte, wenn man Interesse an der Gyn oder Pädiatrie hat. 

Je nachdem, welchen Facharzt man nun anpeilt, muss man eine mehr oder weniger hohe Verpflichtungszeit miteinberechnen. Der Facharzt der Orthopädie, Unfallchirurgie oder Allgemeine Chriurgie erfordern beispielsweise mehr Zeit. 

Womit wirbt der Bund? Was soll es (jungen Leuten) attraktiv machen?

Die hohen Verpflichtungszeiten sind in der Regel mit hohen Übernahmechancen in unbefristete Dienstverhältnisse verbunden.

Es ist ein sicherer Plan: Wenn man die Hürden des Studiums meistert, braucht man sich zunächst um nicht viel weiteres Gedanken machen. Der Weg ist vorgeschrieben. 

Es wird damit geworben, dass man neben dem Studium von studienbegleitenden Freizeit- und Sportprogrammen in universitätseigenen Gruppen und Vereinen profitiert. 

Der Bund verspricht (oder droht, je nachdem wie man es will), dass man seine körperliche Fitness durch gezieltes Training  verbessern wird. 

Charakterlich soll man daran wachsen, dass man verantwortungsvolle Aufgaben in einer Führungsposition in (inter)nationalem Umfeld übernimmt. Allgemein soll man seine Potenziale voll einsetzen und entwickeln können.  

Sicherlich reizt den ein oder anderen auch die Aussicht auf Teamgeist und Kameradschaft. Ein Umstand, der wohl sicher dabei mitwirkt, dass sich Leute nach einer längeren Dienstzeit nochmals verpflichten. Der Bund beschreibt dies als ,,kameradschaftliches Arbeitsumfeld”.

Neben zusätzlichen Qulaifizierungsmöglichkeiten wird einem ein attraktives Vergütungspaket und Zugang zu unentgeltlicher ärztlicher Versorgung der Bundeswehr versprochen.

Bleiben wir doch gleich beim Finanziellen. 

Wie sieht es aus mit dem Gehalt

Ich denke, bei der finanziellen Vergütung handelt es sich neben der NC-Freiheit um einen der wesentlichen Faktoren, welcher die Bundeswehr für junge Menschen ansprechend machen könnte. Insbesondere bei einem so langen Studium wie dem der Humanmedizin. Schließlich steigen wir nach Ende des Studiums auch nicht mt Chirurgengehalt ein.

Beim Bund kann man bereits bei der Grundausbildung mit einem monatlichen Einstiegsgehalt von ca. 2.200 EUR netto rechnen. Dieses steigt mit der Dauer der Dienstzeit und dem Grad an Beförderungen an. 

Nach dem Studium bewegen sich die Gehaltsaussichten von ~2.700-3.600€ (Leutnant) bis zu 11.577,13€ (Generaloberstabsarzt auf Besoldungsstufe B9). Hinzu kommen gewisse Zuschläge. 

[bezuegebeispiele-offiziere-data.pdf (bundeswehrkarriere.de)]

Wie läuft die Bewerbung ab ? Eignungstest ? 

Um zugelassen zu werden, muss man sich als Bewerber einem Assessmentcenterverfahren bzw. einer zweitägigen Prüfung unterziehen. Diese besteht aus persönlichen Gesprächen und computerunterstützen Tests. Um körperliche Konstitution zu prüfen, erfolgen sowohl eine medizinische Untersuchung als auch ein Sporttest. 

Für die Neugierigen: Der Sporttest besteht aus 3. Stationen:

  1. Station: 11 x 10m Sprinttest
  2. Station: Klimmhang
  3. Station: 3000m Fahrradergometer

Sollten diese Hürden gemeistert sein, stehen den Bewerbern noch ein Studieneignungstest und persönliche Gespräche mit dem zuständigen Einplanungsoffizier bevor.

Die Bewerbung erfolgt ausnahmsweise nicht über Hochschulstart, sondern über den Bund direkt. In Deutschland gibt es etwa 250 Plätze an zivilen Hochschulen. Dennoch können die Bewerber einen Studienwunsch angeben, der ähnlich wie bei Hochschulstart je nach Ranking Berücksichtigung finden kann.

Erfahrungen? Als Frau beim Bund? Meine Meinung?

Die Erfahrungsberichte, die ich zu hören bekommen habe, zeichnen das Bild eines sehr anstrengenden Studiums. Auch beim Bund werden die Semesterferien mit Lernen verbracht. Hinzu kommt die körperliche Ertüchtigung. Meine Trainingspartnerin, die ebenfalls beim Bund ist, hat unter anderem deshalb eine Abneigung gegen Cardiotraining entwickelt, da sie beim Bund jeden Tag dazu gezwungen ist, laufen zu gehen. Gelegentlich ist sie von den Anforderungen derart erschöpft und ausgepowert, dass sich der Gang zum Fitnessstudio für sie erübrigt. 

Allgemein ist der Leistungsdruck sehr hoch. Wenn es auch reizt, die eigene Disziplin zu optimieren, kann es doch auch sehr an die Substanz gehen.

Die Einschränkungen, denen man beim Bund erliegen ist, sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. 

,,Ich kann nicht einfach machen was ich will. Sich über 12 Jahre zu verpflichten, das ist schon was. Und dann noch alle zwei Jahre den Standort zu wechseln. Man ist einfach eine ziemlich lange Zeit gebunden, in der man wesentlich weniger Freiheiten hat. Ich habe in meiner Zeit beim Bund extrem gemerkt, dass gewisse Kleinigkeiten doch sehr viel für mich ausmachen.”

Gerade als junge Frau fallen gewisse Einschränkungen, die man in Kauf nehmen muss, mehr ins Gewicht. Wenn man sich zum Beispiel nicht mehr einfach die Haare färben kann. 

Allgemein stelle ich es mir als Frau beim Bund auch nicht immer leicht vor. 

Auch, wenn Frauen beim Bund nichts Neues mehr sind.

Seit 1975 können sie in den Sanitäts- und Militärmusikdienst eintreten und seit 2001 stehen ihnen alle Laufbahnen – auch in den Kampftruppen – offen. 

Frauen in der Bundeswehr

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Bundeswehr in der Art, welche Einstellungen und Werte vertreten werden, doch noch relativ rückschrittlich ist. 

Mal ganz abgesehen davon, wie ihre Notwendigkeit, sowie die Erfordernis einer Armee überhaupt zu bewerten sind.

Doch ich halte mich an der Stelle mit meinem Urteil zurück.

Worauf ich jedoch hinaus wollte, ist der Umstand, dass die Medizinerbubble innerhalb des Bundes noch viel stärker ausgeprägt sein wird.

Schließlich ist es nicht ein Tag in der UB, der einen mit seinen Kommilitonen zusammenschweißt, sondern eventuell ein Aufenthalt innerhalb eines Kriegsgebiets, den man mit seinen ,,Kameraden“ antritt.

Eine Bubble, die sicherlich nicht mit den Veränderungen und Wandlungen unserer Gesellschaft mithalten kann, möchte ich vermuten. 

Ein Eindruck der sich im übrigen verstärkt, wenn man einmal einen Blick in die Lektüren wirft, welche die SoldatInnen so in ihrer Kaserne bekommen.[…]

Nun ja. 

Abschließend bleibt für mich zu sagen, dass ich wohl niemals eine Bewerbung bei der Bundeswehr  in Betracht gezogen habe oder in Betracht ziehen würde. Dennoch kann ich nun zumindest ein wenig besser verstehen, wieso es junge Leute dahin verschlagen kann. 


Autorin:

Audrey

Coucou, mein Name ist Audrey und ich bin eine aufgeweckte Medizinstudentin aus Freiburg!

Derzeit befinde ich mich ich im vierten Fachsemester Humanmedizin der Albert-Ludwigs-Universität. Ich bin unternehmungslustig, neugierig und nehme mich selbst meistens nicht allzu ernst. Hier schreibe ich ehrlich und ungeschönt über das Medizinstudium, das Studentenleben und so manches anderes.

Mach dir doch einfach dein eigenes Bild. Bis dann!

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